Heute hatte ich ein Gespräch mit einer guten Freundin, die ich schon sehr lange nicht gesehen hatte. Sie erzählte mir einen Vorfall mit einer Freundin, der sie bereits seit Monaten beschäftigte. Es war offensichtlich, dass sie der Freundin wirklich helfen wollte, es aber nicht „funktionierte“. Und sie fragte mich immer wieder: „ Wie kann ich das lösen? Wie löse ich es?“ Meine erste Reaktion war Ratlosigkeit. Dann weitete sich mein Fokus und mir wurde plötzlich klar – hier gibt es für uns etwas zu lernen und erkennen.
Der rechtschaffene Helfer
Wir alle, die wir uns spirituell entwickeln, kommen irgendwann mit dem „helfenden“ Teil in uns in Berührung. Wir helfen anderen. Wir bringen sie weiter. Wir schenken ihnen unsere Zeit. Wir erklären ihnen, was sie nicht erkennen. Wir wollen sie weiterbringen. Es brennt geradezu in uns. Und wir meinen es gut. Was wir nicht sehen, dass wir dabei einen Teil unserer Persönlichkeit, unseres Ichs, ausleben. Wir helfen nicht nur, wenn es angemessen ist, sondern, wenn und weil wir es als „das Richtige“ ansehen. Wir verteilen innerlich Noten. Ich bin gut, ich helfe. Etwas in uns definiert sich dabei über das Helfen und Heilen und es fühlt sich „richtig“ an – unabhängig davon, ob unsere Hilfe wirklich hilft. Wir glauben zu wissen, was die beste Lösung wäre, aber ist das wirklich so?
Was wir in diesen Momenten nicht tun, ist uns fragen, und zwar tief, ernsthaft und mit aller Konsequenz: Ist das mein RUF, hier und auf diese Art zu helfen? Will das große Ganze, dass was wir unter dem Begriff GOTT zu fassen versuchen, dass ich hier helfe? Oder schwinge ich mich gerade zum „Weltretter“ auf – ungefragt, ungebeten und auch gar nicht im Sinne und Dienst des Ganzen? Es kostet sehr viel Ehrlichkeit und Selbstkenntnis, die wahre Antwort zu hören, die, die „stimmig ist“, in Resonanz mit Allem, die wirklich dem Ganzen dient und nicht nur unserem eigenen Bedürfnis nach Helfen und Rechtschaffenheit nachkommt.
Ist es gewollt, dass ich helfe?
Wir reden hier nicht von den Hilfen, die selbstverständlich sind, wie jemandem, dem oder der Sachen auf den Boden gefallen sind, beim Aufheben helfen oder auf der anderen Seite der Spannbreite Hilfe und Geld in Krisengebiete der Welt schicken. Es geht um die vielen Momente in unserem Leben, wo wir uns aus einer Rechtschaffenheit „berufen fühlen“, zu helfen durch Taten, Worte oder Gedanken, wo wir uns „dranhängen“ an eine Situation – ohne dass wir uns wirklich mit tiefster Ehrlichkeit gefragt haben: ist es stimmig, dass ich jetzt eingreife, das ich jetzt rede? Ist das Gott gewollt? Ist das von der Seele des Anderen gewollt? Oder folge ich gerade meiner rechtschaffenen Persönlichkeit?
Die spirituelle Persönlichkeit
Auf dem Weg unserer Bewusstseinsentwicklung lernen wir zuerst in unsere Mitte zu kommen. Und danach mühen wir uns, unser Selbst, unser Ego, loszulassen und uns in den Fluss des „Großen“ zu begeben. Was dabei passiert ist, dass wir all unsere Wünsche/Eigenheiten/Regeln etc. loslassen, uns auf den Fluss begeben – aber immer noch unsere Persönlichkeit behalten. Das, was wir (un-)bewusst als „gut“ beurteilen, behalten wir! Wieso auch nicht, es fühlt sich ja auch gut an.
Wir lassen also immer mehr unsere Persönlichkeit los, aber behalten und schaffen uns eine eigene, spirituelle Persönlichkeit. Eine, die mehr weiß als andere und mehr helfen kann. Fragt man uns, ob Helfen wichtig ist, sagen wir, ja! aber natürlich. Du willst mir doch nicht sagen, dass Helfen nicht gut ist? Soll ich die Person xy etwa ins Unglück laufen lassen? Wir argumentieren mit gutem Gewissen und in Rechtschaffenheit. Mit einem guten Gefühl. Und es ist gut.
Jedoch – jeder von uns hat sicher auch schon die Fälle erlebt, wo die so geholfene Person, gar nicht dankbar reagiert oder gar überhaupt nicht auf die Hilfe und Worte reagiert, die wir doch aus „so einer guten Intention“ heraus gegeben haben. Wir als rechtschaffene, hilfsbereite, spirituelle Persönlichkeiten sagen uns dann: Nun er/sie ist noch nicht soweit, muss noch mehr geholfen werden, muss überzeugt werden zum eigenen Besten, muss jetzt halt einmal die bittere Pille schlucken, muss sich doch aber genau ansehen, was passierte, muss sich doch endlich verändern etc etc. Manchmal fühlen wir uns sogar schuldig oder einfach wirklich verpflichtet zu helfen. Wir greifen dabei nach außen und holen weit aus mit unseren Energien, Taten, Worten, Gedanken hin zur anderen Person. Aber was wir nicht machen, ist innehalten, ganz zu uns selbst ins eigene Herz und Sein kommen und uns ernsthaft fragen: ist das mein Ruf? Oder helfe ich aus meiner Persönlichkeit heraus? Noch einmal: es ist nichts verkehrt daran, Anderen zu helfen – es geht darum, sich der Intention klar zu werden, warum ich das tue: Helfe ich Anderen für MEINEN Seelenfrieden oder helfe ich, weil es tatsächlich dem GROßEN Frieden dient.
Der Schritt zurück zu uns selbst
Nach der spirituellen helfenden Persönlichkeit, die sich immer noch nach außen orientiert und im außen die Dinge und Menschen besser machen will, muss der nächste Schritt kommen. Der Schritt zurück zu uns selbst. Jetzt aber nicht mehr in das persönliche Selbst, sondern in den tiefsten Kern von uns, unsere tiefste Wahrheit, das was einzigartig erstrahlt als Seele und zutiefst verbunden ist mit dem Ganzen. Nur von dort aus können wir erkennen, ob unsere Hilfe zu diesem speziellen Zeitpunkt angemessen ist, ob wir Gott folgen oder doch nur unserer eigenen Vorstellung davon.
Ich habe dafür ein Bild: Wenn wir den ersten Schritt des Loslassens machen, dann begeben wir uns in den Fluss aber wie auf einem kleinen Boot. Wir üben die Hingabe und das Loslassen und wir erfahren uns in größeren Zusammenhängen, aber wir sitzen in diesem kleinen Boot, wir richten es ein und geben dem Boot einen Namen. Wir helfen anderen und das ist gut. Doch die Entwicklung geht weiter. Irgendwann „nutzt“ unsere Hilfe nicht mehr oder nicht mehr soviel, wir kommen dadurch weniger in Frieden und mehr in Zwiespalt oder innere Diskussionen, weil es sich im Außen nicht (mehr) so entwickelt, wie wir uns das wünschen. Die Welt ist unser Spiegel – Also was zeigt uns der Spiegel da? Wieso wollen die Menschen keine Hilfe mehr? Wieso verändert sich nichts mehr im Außen oder will sich nicht verändern? Das ist, weil im nächsten Schritt eine innere Veränderung ansteht. Die Rückbewegung zu unserer Mitte auf einer neuen Entwicklungsstufe, nicht zurück in die Persönlichkeit und das kleine Selbst, dass nur auf sich sieht, sondern das Rückbeziehen, das Einkehren in unseren Kern, unsere Seele, unser Großes Selbst, was aus dem No-Self kommt. Die Verbindung zu Gott, die immer nur im Inneren stattfinden kann.
Die Kontrolle aufgeben
Was bedeutet das für unser Bild? Wir müssen das Boot aufgeben und wirklich Teil des Flusses werden, ohne Grenzen, ohne Regeln, ohne Rechtschaffenheit, ohne „gut“ oder „schlecht“, wir müssen die Kontrolle ganz aufgeben, aufgehen in dem Fluss. Gott wirklich einlassen und uns wirklich hingeben. Dann wirkt Gott durch uns. Wir sind dann nicht mehr Individuen, die sich unbewusst zwar in guter Absicht aber doch ohne es zu wollen „anmaßen“ Gottes Wille umzusetzen, sondern wir folgen dem RUF. Der Fluss nimmt uns mit sich. Wir helfen, weil wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind und bewusst lauschen, ob wir JETZT aufgerufen sind etwas zu tun. Oder ob es gerade darum geht, sich zurückzuziehen oder vielleicht einfach nur still da zu sein.
Verantwortungsvolles Sein
Dies erfordert eine große Verantwortung. Es erfordert, dass wir sehr bewusst sind mit uns und unseren Intentionen. Es erfordert auch, darauf zu achten, dass wir nicht Verantwortungsbereiche an uns ziehen, die nicht zu uns gehören. Manche Bereiche gehören zu anderen Menschen, und manche gehören gar nicht ins Menschliche. Die menschliche Größe ist auch im besten Kontext immer rechtschaffen. Ist es uns geholfen, wenn wir helfen, und den anderen dadurch klein machen? Können wir uns einlassen auf die göttliche Größe, die alles hält?
Wie meinte meine gute Freundin: Es ist ein Wandern auf Messers Schneide. Es erfordert Mut. Und es ist einfach zu fallen und sich an den Diskussionen über das, was richtig und falsch ist, über Moral und Nächstenliebe zu schneiden oder geschnitten zu werden. Es braucht eine große Bewusstheit, tiefe Ehrlichkeit und höchste Verantwortung zum eigenen Kern zurückzukommen, dort GANZ zu werden durch unsere Anwesenheit und DORT zu lauschen, ob wir im Fluss sind und gerufen, etwas und auch was genau zu tun.
Wahre Größe
Manchmal ist das größte Geschenk und Hilfe für den Anderen, ihn mit dem eigenen Wunsch zu helfen (der eigenen Unruhe in sich) in Ruhe zu lassen und sich innerlich auf sich zurückzubeziehen. Wieso glauben wir, wir könnten es besser als das große Ganze, das Schöpferische? Das ist letztendlich der Versuch, sich von Gott getrennt zu halten. Weil wir Angst haben vor DIESER Größe, weichen wir aus und versuchen im Außen etwas zu tun. Natürlich „Gutes“. In der bewussten Rückbesinnung auf unseren inneren Kern – Gott in uns – kann es endlich zur Ruhe kommen. Dort sind wir ganz uns selbst, das ist „self realization“ dort geschieht „Gottes Wille“ und, wenn wir uns DORT hingeben, DIESEM Ruf , dieser Verantwortung folgen, geschieht es durch uns. Das ist Erleuchtung. Manchmal ist dann beherztes Helfen „not-wendig“. Und manchmal ist es das Größte, den andern zu segnen und nichts weiter zu tun als einfach da zu sein. Dann kann Gott übernehmen, die große Seele. Das ist eine Größe, die alles und alle Beteiligten groß sein lässt. Wahre Größe.