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Die dunkle Jahreszeit hält Vieles für uns bereit
Weihnachten findet immer zur dunkelsten Zeit des Jahres statt. Warum? könnte man sich fragen. Wäre es nicht viel schöner, diese zahlreichen Feiertage im Sommer zu genießen? Am Strand oder bei irgendeinem Aktivurlaub? Manche von uns machen das. Sie buchen einen Flug in den Sommer der anderen Erdhalbkugel. Und wenn man sie danach fragt, wie es war, sagen sie: ja es war schön, aber irgendwie war es kein richtiges Weihnachten….
Genau richtig! Nicht ohne Grund liegt Weihnachten in der Nähe des viel älteren Festes der Wintersonnenwende, auch Jul-Fest oder Mutternacht genannt. All diese Feste feiern mit unterschiedlichem kultischen, religiösen und kulturellen Hintergrund die (Wieder-)Geburt des Licht(kind)s und die Rückkehr der Sonne.
Die dunkle Jahreszeit fördert unsere Konzentration auf die eigene Mitte
Wir sind heutzutage nicht mehr in der Weise von der Sonne und der Sonnenscheindauer abhängig wie unsere Ahnen, weder was unseren Tagesablauf noch was unsere Nahrung angeht. Doch auch wir spüren, wie uns der langsamere Rhythmus des Winters umfängt. Wenn wir es denn zulassen.
Was macht der Winter mit uns? Wir kommen früher nach hause oder gehen erst gar nicht mehr vor die Türe. Wir werden ruhiger, kuscheln uns in dicke Decken, zünden uns Kerzen und Feuer im Kamin an, laden vielleicht Freunde dazu, mit denen wir gemeinsam in die Flammen schauen. Kurz: wir rücken zusammen, wir werden stiller und organisieren uns mehr um unser Heim, unsere eigene Mitte herum. Die dunkle kalte Jahreszeit animiert uns geradezu, zur Ruhe zu kommen.
Der Winter ist nicht gegen uns, er ist für uns.
Äußerliche Ruhe sowie Rückzug und Konzentration nach Innen – anstatt im Weihnachtsstress und im Konsumrausch unterzugehen, könnten wir der Versuchung widerstehen und uns auf das einlassen, was der Winter von uns wirklich will. Besser gesagt: Was er für uns will. Das ist eines der ersten Geschenke, die wir in dieser Zeit bekommen. Endlich dürfen wir alle Viere von uns Strecken und die Dinge ruhen lassen. Wir zünden uns eine Kerze an und dürfen still werden. Ohne weiteres “zu-tun” nehmen wir mit uns selbst und mit unserem Inneren endlich wieder Kontakt auf. Und wir spüren: auch in uns ist es dunkel. Dunkel, warm, mehr (oder weniger) entspannt und je länger wir uns einlassen auf unsere innere Dunkelheit, je mehr nehmen wir uns selbst wieder wahr.
All die dicken Kleider, die wir tragen, stehen entgegengesetzt zu der Nacktheit, die wir innerlich spüren
Wir fangen an, Schichten abzulegen. Unsere Hektik lässt nach, unsere emotionalen Krusten werden dünner, unser Wesen selbst wird deutlich sichtbarer für uns. All die dicken Kleider, Schals und Mützen, die wir im Außen gegen die Kälte tragen, stehen entgegengesetzt zu der Nacktheit, die wir innerlich spüren, wenn wir uns auf uns selbst wirklich einlassen.
Das ist, was der Winter fördert und fordert von uns, um ihn wohlbehalten zu durchleben. Wir kommen in Kontakt mit unserem Innen, unserer Innerlichkeit. Und auch wenn diese anfangs ungefähr genauso vollgepackt ist, wie unser Schrank mit Weihnachtsgeschenken, spüren wir, wie wir immer tiefer in uns hinein sinken. Wir werden ganz “inniglich”. Still, ruhig, bewegungslos aber doch wach und aufmerksam. Wir atmen und wir sind.
Eine Freude an und in sich
Nach und nach spüren wir dann eine Weite in uns, die so gar nichts mehr mit der anfänglichen Dunkelheit zu tun hat, die man sogar eher als Licht bezeichnen würde. Je stiller und innerlicher wir in unserer Dunkelheit werden, umso mehr Raum nimmt dieses Licht ein, um so mehr beginnen wir, von Innen heraus zu strahlen. Und wenn wir diesem Licht einen Namen geben würden, würden wir es vielleicht Freude nenne wollen. Eine stille, tiefe Freude. Eine Freude, die nicht auf ein Ziel oder Zweck gerichtet ist, sondern eine Freude an und in sich. Und wenn uns jemand fragen würde, warum wir diese Freude fühlen. Dann würden wir tief in uns lauschen und die Antwort eher erspüren als hören. Wir würden spüren, dass diese Freude ganz pur ist, jenseits von Worten, Taten und Dingen. Dass diese Freude uns unser Leben mehr spüren lässt, ja dass diese Freude uns geradezu zum Leben bringt!
Wir werden Zeuge, wie sich das Leben selbst erlebt
Wir erfahren, dass uns diese Freude einfach “da sein” lässt, uns durchdringt in jeder Zelle und uns gleichzeitig nährt und hält, wie eine Mutter ihr geliebtes Kind. Die Freude, die wir erleben, ist die Freude am Leben, vielleicht sogar richtiger, die Freude des Lebens selbst. Wir spüren, dass wir Zeuge sind, wie sich das Leben selbst erlebt, ja sich quasi durch das Erleben selbst gebiert. Wieder und wieder. Und wir erahnen vage, dass wir genau das sind: erneut geborenes, wiedergeborenes Leben. Tiefe Freude puren, wahren Lebens brennt nun wie ein Leuchtfeuer in uns.
Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Weihnachtsbaum, den wir nun anzünden mit all seinen kleinen Kerzen. Wir setzen einen Stern an die Spitze und spüren wie die Freude in uns genau wie dieser Stern leuchtet. Wir blicken durch unsere Fenster in die winterliche Dunkelheit und sehen in all den anderen Fenstern, ebenfalls Menschen, die ihren Weihnachtsbaum erleuchtet haben. Unser Blick schweift von Fenster zu Fenster, überall blinkende Lichter und wir wissen, wir sind nicht allein. Wir sind durch die Dunkelheit, ja, dank der Dunkelheit, mit etwas Größerem in Kontakt gekommen. Wir spüren die Verbundenheit mit und durch all diese Lichter und wir grüßen innerlich die vermeintlich Fremden, Anderen in ihren Wohnungen und fühlen: Wir sind am Leben. Gemeinsam. Und wir fangen dieses Leben in dieser Nacht noch einmal neu an. Mit großer Freude.
Das Leben selbst ist das große Geschenk der Heiligen Nacht
So zeigt sich in unserem Inneren der Segen der heiligen Nacht und wir feiern das Fest des Lebens – die Freude am Leben – das in uns allen brennt, wie viele kleine Lichter am Baum des Lebens.
Gesegnete Weihnachten!
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Retreatwochenende GANZ BEI MIR vom 18.-19.01.2020 in Karlsruhe
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The dark season holds much in store for us
Christmas always takes place to the darkest time of the year. Why? you might be wondering. Wouldn’t it be much nicer to enjoy these holidays in the summer? On the beach or in any activity holiday? Some of us make that. They book a flight into the summer of the other hemisphere. And when you ask them, how it has been, they say: yes it was nice, but somehow it was not a real Christmas ….
Just right! Not without reason is Christmas near the much older celebration of winter solstice, also known as Yule or Mother Night. All these feasts celebrate with different cultic, religious and cultural background the (re)birth of the light(-child) and the return of the sun.
The dark season supports our focus on our own center
These days we are no longer depending on the sun and the sunshine duration in the way how our ancestors did, not with our daily routine and not in terms of our food. But we feel how the slower pace of winter embraces us. If we allow it.
What does winter with us? We come back home sooner or no longer go out at all. We are more quiet, cuddle up in thick blankets, lit candles and fire in the fireplace, maybe invite friends with whom we look together into the flames. In short: we are moving closer together, we are silent and organize ourselves more around our home, our own center. The dark cold season encourages us almost to come to rest.
Winter is not against us, it is for us.
Outward quietness, retreat and inward concentration – rather than sink in the Christmas stress and shopping frenzy, we could resist the temptation and engage in what the winter really wants of us. Better said: What he wants for us. This is one of the first gifts we get in this time. We can finally flake out and let things rest. We light a candle and we are allowed to become quiet. Without anymore “to-dos” we come with ourselves and with our inside finally back in touch. And we feel: in us it is dark. Dark, warm, more (or less ) relaxed and the longer we engage in our inner darkness, the more we perceive ourselves again.
All the thick clothes we wear are in opposition to the nakedness, we feel inwardly
When we approach ourselves we begin gradually to deposit layers. Our hectic fades, our emotional crusts become thinner, our being itself becomes more visible for us. All the thick clothes, scarves and hats we wear in the outside against the cold are in opposition to the nakedness we feel inside when we engage in our own center, our own darkness.
That’s what the winter encourages and challenges us to do in order to come safely through it. We come in contact with our inside, our interiority. And even if this is about as packed at first as our cabinet with Christmas gifts, we feel, if we allow it, how we sink deeper and deeper into ourselves. We are all “intimately”. Still, quiet, motionless but awake and alert. We breathe and we are.
A joy by and in itself
Gradually we feel a width in us that has nothing to do with the initial darkness. You would even call it light. The quieter and more inward we are in our darkness, the more space is given to this light, the more we begin to radiate from the inside out. And if we would give this light a name, we would probably want to call it joy. A quiet, deep joy. A joy that is not directed to a goal or purpose, but a delight in itself. And if someone were to ask us why we feel this joy. Then we would listen deeply within us and the response we would rather sense than hear. We would feel that this pleasure is all pure, beyond words, acts and things. We would feel that this joy makes us feel our lifes much more, that this joy almost brings us to life!
We witness how life experiences itself
We begin to feel that this joy simply lets us “be there”, penetrating into every cell and simultaneously nourishing and keeping us as a mother her beloved child. We realize that this joy that we experience is the joy to live, perhaps more correctly, it is the joy of life itself. We feel that we are witnessing how life experiences itself, quasi thereby gives birth to itself. Again and again. And we feel that we are just that: a new born, reborn life. We feel that this deep joy burns as pure life like a bonfire in us.
From there it is only a small step to the Christmas tree, which we now lit with all its small candles. We put a star on top and feel how these fabulous joy in our lifes shines just like this star. We look through our windows into the winter darkness and in all the other windows you see people who have lit their Christmas tree too. Our eyes wander from window to window flashing lights everywhere, and we now know for sure, we are no longer alone. We have come through the darkness, yes, thanks to the dark, we came on contact with something bigger. We feel the connection with and through all these lights. We salute inwardly the supposed strangers in their homes and feel: We are alive. Together as community. And that night we start this life again anew. With great joy.
Life itself is the great gift of the Holy Night
In our interior experience the blessing of the holy night arises and we celebrate the feast of life – the joy of life – burning within us like all this little lights on the tree of life.
Blessed Christmas!
ganz lieben Dank für Deine neu interpretierte Weihnachtsgeschichte. Ich habe sie ein paar mal gelesen und war echt berührt!
Ich habe deine besinnlichen Gedanken zum Weihnachtsfest mit Freude gelesen und bin sehr berührt davon, wie feinfühlig du Dunkel und Licht der Weihnachtszeit reflektierst.